Wie eine Gladiatorenarena liegt Kalk in der Tiefe des rechtsrheinischen Stadtraums. Eingeschnürt durch einen breiten Eisenbahngürtel, dessen Dämme, um im Bild zu bleiben, die Tribüne darstellen, ist der Stadteil aus allen Himmelsrichtungen nur durch ausgedehnte Unterführungen (die Marathontore) zu erreichen. Das Innere dieses Kessels war jahrzehntelang bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt, zu einem Gutteil mit ausgedehnten Industrieanlagen. Dazwischen hatte sich dichte Wohnbebauung in die übrigen Flächen gedrängt.
Das Nebeneinander dieser in jeder Hinsicht unterschiedlichen Welten unter der Bedingung der gemeinsamen Einschnürung machte aus Kalk einen extremen Ort. Voller Energie, aber auch voller Spannungen. Kalker weichen (bis heute) nicht aus (wohin auch?). In einer Welt, in der tatsächliche Landschaft gefühlt unerreichbar ist, wird die soziale Landschaft aus Nachbarn und Fremden auf der Straße zur Ersatzlandschaft. Das erzeugt neben Spannung auch eine unauffällige Neugier am anderen. Kalk ist in dieser energetischen Mischung wohl der großstädtischste Teil Kölns.
Textquelle: Boris Sieverts